Gorleben

AUCH GORLEBEN GEHÖRT ZU UNSERER NATUR

Auch Gorleben gehört zu unserer Natur, und damit Sie sich vorstellen können, was das mit unserer Region macht, hier ein Bericht über den Transport im November 2006:
 
„Ich persönlich leite mit meinem Mann zusammen ein Hotel, das unglücklicherweise 3 km von der Bahnstrecke entfernt steht. Gekauft haben wir in einem Moment, als die Transporte ausgesetzt waren. Ob ich das heute noch einmal tun würde – ich weiß es nicht. Die ersten Jahre Transporte waren einfach grauenhaft. Ich bin Castorgegnerin und ja, an unserer Tür ist ein Schild mit der Aufschrift BIO-Hotel und ÖkoPension. Sehr verdächtig. Immer wenn die Einsatzkräfte neu waren konnte man es richtig sehen – „Aha, Öko – da müssen wir besonders gut aufpassen.“ 

Im ersten Jahr waren auf einmal am Freitag vor dem Transport an Ortseingang und an Ortsausgang je eine Hundertschaft, die sich fertig machte zum Einsatz, Helme, Schilde, Schlagstöcke hervorholte,...

Ich rief die Einsatzleitung an und fragte, was das wohl solle; und bekam zur Antwort, sie wollten das illegale Camp räumen. Meine Nachbarn haben übrigens ebenfalls Beherbergungsbetriebe und so reisen des öfteren am Freitag nachmittag ca. 100 Personen im 9-Seelen-Dorf an. So auch an besagtem Wochenende. Auf meine Anfrage hin zogen sich die Einsatzkräfte zurück.

Dann kam der Hubschrauber auf der Wiese und schaute in Tagungsraum und Essraum hinein, die leider beide wunderschön verglast sind, mit normalerweise ungestörtem Blick über unser Wiesental. Polizeistreifen alle 15 Minuten mit ca. 6-8 Mannschaftwagen, die entweder im Schritttempo an unseren Essräumen vorbeifuhren oder mit 80 durch das Dorf heizten. 

Also, das Jahr darauf meldete ich mich im Vorherein an, Freitag nachmittag - Anreise der Gäste. Das war das Jahr, in dem meine Tochter im Kindergarten vom Waldtag nach Hause kommend von einem Trupp Polizisten, die aus drei um die Kinder herum geparkten Mannschaftswagen stürmten, auf die Strasse getrieben wurden. Die Polizisten trugen übrigens wiederum Helme, Schilde und Schlagstöcke – die Kinder und die KindergärtnerInnen nicht. Im Zuge dieser Aktion lernte ich einen wunderbaren Konfliktmanager kennen. Er kam in den Kindergarten und hat sich so gut und ernsthaft bei den Kindern entschuldigt, hat ihnen Zeit gegeben, ihn als Menschen unter der Uniform zu entdecken, hat uns Eltern Platz gegeben, unsere Wut zu äussern, und hat die für mich wichtigsten Sätze der Gegenseite gesagt : „Es tut mir sehr leid. So etwas sollte nicht passieren und kein Kind sollte so etwas erleben. Ich kann mich dafür nur entschuldigen.“ Er hat nicht gesagt, „Sie müssen uns auch verstehen,...“ und ehrlich gesagt, bei mir wird das Verständnis auch immer kleiner – ich wohne hier, das ist mein Zuhause und die, die mich belästigen, sind die, die mich doch schützen sollten.

Zuhause, das selbe Spiel wie immer, alle 15 Minuten Streife, entsetzte und genervte Gäste, Streifenwagen, die gegen Mitternacht auf unserem Parkplatz stehen und laut funken, abgesperrte Straßen zu Zeiten, wenn der Castor noch Tage entfernt war, Angestellte, die nicht mehr zur Arbeit oder nach Hause durften...

Zwei Jahre später bin ich übrigens in eine Personalienkontrolle mit meiner Tochter geraten, die sich beim Anblick des Polizeibeamten in Uniform wimmernd unter dem Sitz verkriechen wollte. Und sie ist eigentlich ein mutiges Kind. Im Jahr darauf wechselte die Einsatzleitung – und damit wurde das Klima deutlich angenehmer.

 Nicht gut – ich glaube, wenn einer Region so etwas gegen ihren erklärten Willen aufgedrückt wird, gibt es keinen Frieden – aber wenigstens war auf Seiten der Polizei ein deutlicherer Wille zu Koexistenz zu erkennen. Und auch die Konfliktmanager waren zugegen, wie jedes Jahr und mit diesmal deutlich erhöhter Bereitschaft zuzuhören. Wir hatten abends sogar mal den Fall, dass die Streifen vermindert wurden, um die Belästigung für unsere Gäste zu vermindern.

Letztes Jahr gab es die sehr schwierige Schülerdemo in Lüchow. Und mir fiel auf, dass die Kinder hier in einer sehr problematischen Situation aufwachsen. Sie sehen Polizisten selten im Kindergarten oder der Schule bei Verkehrserziehung und Präventionsaufklärung, aber jedes Jahr wieder in der Castorzeit als diejenigen, die sie in vieler Weise behindern, statt ihnen zu helfen. Missverstehen Sie mich nicht – ich halte die Polizei und sehr auch die deutsche Polizei für ein wichtiges Element unseres Staates – ich habe Freunde in Weissrussland und kann mir vorstellen, wie es ist, wenn das Gesetz des Stärkeren herrscht. Und ich respektiere Menschen, die die Entscheidung getroffen haben, mich vor Verbrechern – notfalls auch mit dem eigenen Leben - zu schützen.

 Ich weiss, dass ich ohne die Polizei nicht so ruhig leben könnte, wie ich es tue und ich weiss auch, dass viel getan wird zur Kontaktverbesserung zwischen Polizei und Bürgern. In der Castorzeit scheint all dies ausgehebelt. Ich fühle mich wie die Feindin schlechthin – dementsprechend mit wenig Rechten ausgestattet, wenn mein Kind schlecht behandelt wird, muss ich das hinnehmen, wenn meine Gäste schlecht behandelt werden, soll ich das akzeptieren, mein Zuhause ist jedes Jahr einmal im Ausnahmezustand. Und das zum Schutz des Atommülls, des schlimmsten Mülls, den unsere Zivilisation zu bieten hat.

Mit unserer neuen Einsatzleitung sieht es ja wohl wieder altvertraut aus – nur dem „Feind“ nicht zu nahe kommen und schön die Schreckensbilder der gemeingefährlichen Demonstranten hochhalten – vielen Dank. Mit meiner eigenen Tochter habe ich es jetzt so gehandhabt, ich habe sie zu ihrer Tante gebracht – ich will nicht, dass sie sieht, wie ich zittere vor Wut, weil wieder so ein schnöseliger Beamter in unserem Dorf nachts schön laut das Anfahren mit dem Auto übt. Und ich bin mit ihr des öfteren zur Wache gegangen – die ersten Male musste ich sie fast hineinzerren, jetzt sieht sie das anders – „Die Polizei ist eigentlich ganz nett – nur in der Castorzeit sind sie anders.“

 2010 Mittlerweile hat sich bei mir einiges geändert. Dank auch des Einsatzes einiger Konfliktmanager, habe ich mein Projekt Schule verwirklichen können. Wir haben also gemeinsam eine Schule besucht und haben den dort zur Schule gehenden Kindern einen Gesprächstermin angeboten. Mich hat das Ganze sehr berührt. Ich finde den persönlichen Einsatz der beiden mich begleitenden und für die Polizei sprechenden Männer beeindruckend. 

Sie haben mir erzählt, dass das Konfliktmanagement im Rahmen von Gorleben entstand, dass auch auf Seiten der Polizei zunehmend Unzufriedenheit entstand mit ihrer Situation. Eigentlich ist die Polizei im Rahmen der Gewaltenteilung dafür zuständig, Konflikte zu regeln, Konflikte, die in unserer Gesellschaft auftauchen und die wir als Gesellschaft nicht nach dem Gesetz des Stärkeren regeln wollen, sondern nach gemeinsam aufgestellten Regeln. Und auch für die Polizisten selbst, die diesen Auftrag ernst nehmen, ist diese Situation hier sehr schwierig.

 Sie wissen, sie sind nicht gewollt, vielleicht finden sie auch nicht alles gut, was ihre Kollegen hier tun, aber sie sitzen in der Zwickmühle. Daraus entwickelte sich das Konfliktmanagement, das sich um beide Seiten und ein besseres Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung bemüht. 

Wir besuchten also 2008 gemeinsam die Schule. Jede Klasse ab der achten durfte zwei Schüler entsenden. Einer der beiden kam in Uniform, was ich auch sehr gut finde, damit die Auseinandersetzung klar ist. Hier ein „richtiger“ Polizist, da die Schüler. Der andere betreut das Projekt und ist kein Polizeibeamter, kam also auch in Zivil. Anfangs war die Atmosphäre angespannt – keiner der Schüler wollte so recht aufschauen,...“Ob die wohl wirklich zuhören werden ?“ Was wollen die überhaupt hier und von uns ?“ Ich konnte es förmlich aus den Köpfen und Herzen reden hören, aber nicht mit den Ohren. Dann kam das Gespräch in Gang, der erste erzählte. Und wurde wütend.

Und seine Trauer über das, was passiert ist, war ihm anzumerken. Danach sprachen sie, immer mehr Personen und immer mehr Geschichten. Ein Junge, der vom Mofa gezogen wurde & verprügelt worden ist, einer, der aus dem Imbiss geworfen wurde, ein Mädchen, deren Freundin der Arm gebrochen wurde von einem Pferd, das daraufgetreten ist. Diesmal wurde ihnen zugehört. Menschen waren da, die betroffen waren – das war deutlich zu sehen. Ich bewundere den Mut, den diese beiden Menschen mitgebracht haben. Sie haben sich vor eine Menge Menschen gesetzt und ihren Kopf für eine Auseinandersetzung hingehalten, die gesellschaftlich unglaublich notwendig ist, an der sie aber keine Schuld tragen. Sie haben Schülern das Gefühl gegeben, ja, es hört jemand zu. Noch ist das eine kleine Pflanze, aber das ist es, was ich will, dass wir Brücken bauen, auf denen wir uns treffen können. Und vielleicht schaffen wir dann ja gemeinsam die Atomkraft ab...

Bis dahin wünsche ich mir so viel Stromwechsler wie möglich:

www.LichtBlick.de 
www.greenpeace-energy.de 
www.ews-schoenau.de
www.naturstrom.de

Links zu weiteren Infos:

BI Lüchow-Dannenberg: http://www.bi-luechow-dannenberg.de
Castor-NIX-DA-Kampagne: http://www.castor.de
Reporter aus dem Wendland: http://www.publixviewing.de

 ACHTUNG: Die Castor-Transporte finden im November, um das 1. oder 2. November-Wochenende herum statt. Bei Interesse, wg. ruhigem, ungestörtem Urlaub oder Teilnahme an den Protesten, bitte Anfrage an uns richten. Wir erfahren meistens ein halbes Jahr vorher, für wann der Transport geplant ist. Es gibt auch Jahre, in denen kein Transport durchgeführt wird, leider sind diese noch viel zu selten.