Wolfsfreundschaft

Eine kleine Geschichte für Kinder - erzählt von Barbara Kenner ...

Teil 9: Frühlingszeit - Aufbruchszeit

Dann kam die Zeit, da der Schnee wegschmolz und die ersten grünen Hälmchen sich zeigten. Der erste richtige Frühlingstag kam mit zartem Grün, wärmender Sonne und einem wunderbaren Versprechen für den Sommer. 
In der kleinen Lichtung am Wald wurden wieder kleine Hasen geboren. Anneliese besuchte sie gerne die kleinen Verwandten von ihrem alten Freund. Und einer davon nannte sich Runkelchen. Dieser liebte Anneliese und rannte ihr hinterher wo er nur konnte, legte sich zu ihr, wenn sie zu Besuch war und ließ sich sehr gerne das Fell putzen. Bald tollten Runkelchen und Anneliese über alle Waldlichtungen hinweg.
Anneliese brauchte nun  kein Futter mehr von ihrer Schneefreundin. Trotzdem kam sie immer wieder zu dem Feld, auf dem sich die beiden den Winter über getroffen hatten – mittlerweile hatte das Mädchen Anneliese sehr lieb gewonnen und erzählte ihr jeden Tag seine Erlebnisse und Sorgen. Luise hieß das Mädchen und Anneliese ließ sich furchtbar gerne von ihr hinter den Ohren kraulen. Eines Tages hatte Luise auch ein Bürste mitgebracht, um Annelieses Fell zu bürsten, oh war das schön, all dieses juckende Winterfell, dass eh ausfiel wurde ihr ausgebürstet – stundenlang konnten die beiden so verbringen, Luise bürstete und erzählte und Anneliese hörte zu. 
An einem schönen warmen Frühlingsabend sagte Anneliese zu Luise, dass sie sich so nach Abenteuern und Wanderschaft sehne. Luise war erschrocken : „Du kannst reden ! ?“
„Ach klar, alle Tiere können das, aber wenige Menschen hören uns zu. Denn um ein Tier zu verstehen, musst du mit dem Herzen hören und nur wer sich wirklich mit einem Tier befreundet wird es verstehen können. Du bist mir jetzt schon so lange eine liebe Freundin, da habe ich gedacht, ich probiere mal, ob das geht, ob du mich verstehst.“
„Oh,...“
„Luise, ich glaube, ich habe mich bei Griesgram angesteckt mit der Wanderlust. Mein Freund, der Wolf hat mir davon erzählt, was er alles erlebt hat.“
„Aber das ist gefährlich für ein Reh, und vor allem für ein so ungewöhnlich aussehendes wie dich !“
„Wieso denn das ?“
„Na ja, nicht alle Menschen sind so wie ich, viele sehen Rehe am liebsten gebraten auf ihrem Teller und ausserdem kann es sein, dass du gefangen wirst und in den Zoo gebracht wirst. Das ist ein Platz, an dem ungewöhnliche Tiere in Gehege gesperrt werden, damit die Menschen sie anschauen können, dann wirst du gefüttert und gepflegt, aber du kannst gar nicht mehr durch deinen Wald tollen.
„Mmhm, darüber muß ich dann wohl noch mal nachdenken.“